Blutroter Wulfenit aus Chah Kharboze, Iran

von Mattia Cairoli und Stefan Weiß

Tiefroter Wulfenit- „Schwimmer“ (2,4 cm). Foto: Roberto Appiani

Wenn sich die chemischen Elemente Blei und Molybdän verbinden, entstehen besonders farbenprächtige Mineralien; der Wulfenit ist eines davon und man findet ihn immer wieder in Bleilagerstätten – von gelb über orangerot bis dunkelrot. Ausgezeichnete Funde stammen beispielsweise aus Bleiberg in Kärnten und Mezica (Mies) in Slowenien, aus dem Los Lamentos Distrikt in Mexiko und vor allem aus Arizona, USA – mit klingenden Bergwerksnamen wie Red Cloud, Old Yuma, Glove und Rowley. Jüngst kam auch China mit der Region Kuruktag in Xinjiang hinzu (→Lapis 9/2015). Absolut legendär sind jedoch die blutroten Wulfenite aus dem Iran, die erstmals in den 1960er und 1970er Jahren in geringer Stückzahl in einige wenige Sammlungen gelangten ...



Faszinierende Wüstenlandschaft
Es ist eine Szenerie wie im Alten Persien: Wir befinden uns im Landesinneren, inmitten der iranischen Provinz Isfahan. Ein geschichtsträchtiger Ort, wie es nur wenige auf der Welt gibt. Die persische Wüste hat etwas Magisches, sie ist einzigartig. Schroffe Berge ohne Vegetation zeigen eindrucksvoll geschichtete Gesteinsbänke. Je nach Tageszeit bietet das Panorama andere, vielfältige Farbtöne, die Schatten wechseln dramatisch mit dem Sonnenstand. Hier trifft man nur wenige Menschen, das Gebiet ist kaum besiedelt und nur ganz lokal durch asphaltierte Straßen mit Rastplätzen erschlossen. Chah Kharboze – dieser Name sagt den meisten Mineralienfreunden nichts. Doch die erfahrenen, nicht mehr ganz so jungen Sammler verbinden den Namen mit einer Fundstelle für Wulfenit in einer unglaublich roten Farbe. Dieser entlegene und praktisch vergessene iranische Bergbau, im Herzen des früheren Persiens, hat einst blutrote Wulfenitkristalle geliefert, die zu den schönsten der Welt zählen. Chah Kharboze zählt zum alten Grubenrevier Anarak im Bezirk Nain, am Südrand der zentraliranischen Großen Salzwüste Dasht-e-Kavír. Die alte Grube und ihre verfallenen Anlagen liegen in einer Ebene an einer Nebenstraße, 5 km Luftlinie südlich des noch aktiven Bergbaues Nakhlak. Dieser lieferte noch in jüngster Zeit ausgezeichnete Cerussite und chromhaltige rote Mimetesite (→Lapis 10/2015). In der ganzen Gegend ging uralter Bergbau um, seit der Frühzeit der persischen Herrschaft. Auch die rund 8 km südlich von Chah Kharboze gelegene Grube Chah Mileh ist für ihre ausgezeichneten und seltenen Mineralfunde berühmt, darunter Willemit-Pseudomorphosen nach Descloizit (Wilke 1977, Hairapetian et al. 2015).

Chah Kharboze …
entstand wie die benachbarten Bergwerke bereits in der Antike, um dort, neben anderen Mineralien, vor allem Erze mit Kupfer, Blei und Zink zu gewinnen. Geologisch ist dieser Bergbau an den Erzgürtel Yazd–Anarak mit seinen zahlreichen Buntmetall-Lagerstätten des „Mississippi Valley-Typs“ gebunden, wobei lokal auch Molybdän, Vanadium, Nickel, Kobalt und Silber angereichert sind (Romanko et al. 1984, Rajabi et al. 2012). In Chah Kharboze standen dabei Gänge mit Bleiglanz und Wulfenit im Abbau (Cherepovsky et al. 1981). Die ältesten historischen Aufzeichnungen zum Revier Anarak datieren aus der Zeit der Sassaniden (224-650 n.Chr.). Seitdem, bis ins Jahr 1946, baute man die Erzgänge in einfacher Handarbeit und im Familienbetrieb ab. Ab 1946 wurde der Abbau, gut organisiert in großem Umfang, von Staatsbetrieben weitergeführt, unterstützt von französischen und deutschen Geologen. Bereits 1947 produzierte Chah Kharboze drei Tonnen Reicherz pro Tag, aus dem man 500 kg Blei erschmolzen hat. Im Jahr 1960 wurde der Abbau eingestellt, weil die Erzgehalte der Gänge zur Tiefe hin verarmten und der Betrieb unwirtschaftlich wurde. Während ihrer Betriebszeit lieferte die Grube ausgezeichnete blutrote Wulfenite. Dies bestätigte der berühmte Pariser Mineraloge Pierre Bariand, der auf seinen Iranreisen die Grube Chah Kharboze in den Jahren 1955, 1959, 1960 und 1965 besuchte – das waren aufregende Zeiten für einen Wissenschaftler! So erwähnt Bariand Drusen und Lehmtaschen in den Bleierzgängen, die voll besetzt mit roten Wulfenitkristallen waren. Die Frauen der Bergarbeitersiedlung hatten die Aufgabe, die Kristalle unter Tage von den Drusenwänden abzuklopfen und aus dem Lehm zu kratzen, sie in Stoffsäcke abzupacken und diese in die Schmelzhütte von Nakhlak zu schicken. Dort wurde aus dem roten „Wulfeniterz“ Blei gewonnen ...

Ein „Teppich“ aus blutrotem Wulfenit
Andere Europäer, die seinerzeit eine Reise nach Chah Kharboze unternahmen, beschrieben einen Lagerplatz vor der Grube, der wie ein glitzernder roter Teppich mit Hunderten Wulfenitkristallen und ihren Bruchstücken bedeckt war. Offensichtlich kannten nur wenige Menschen zu jener Zeit den mineralogischen Wert dieser wunderbaren Wulfenite. Dies war, neben den schwierigen Zugangsmöglichkeiten in diese entlegene Zone, der Hauptgrund, dass nur ganz vereinzelt Kristalle oder gar Stufen in die Hände von ein paar glücklichen Sammlern gelangten. Doch im Jahr 1960 schien auch damit Schluß zu sein, die Grube wurde stillgelegt und das Grundwasser flutete die höffigsten Fundzonen. Der vorerst letzte erfolgreiche Mineraliensammler in der Grube „Tschah Karbuzeh“ war Lapis-Autor Hans-Jürgen Wilke (1925-2014), der Mitte der 1970er Jahre mit seinem Team über enge Steigschächte noch bis auf die 80 m-Sohle gelangte. Dort bargen sie mit schwerem Werkzeug noch Proben mit „noch immer reichlich vorhandenem Wulfenit“, als Kristalle „bis zu 1-2 cm groß – lose im Kontaktmergel eingebettet, teilweise auch als Aggregate; außerdem brachte diese erste Inspektion noch Belegstücke an Hemimorphit, Mimetesit und Calcit ein.“ Wilke schließt: „Gern wären wir noch auf die tiefere Sohle hinabgestiegen, von der Kristalle bis zu 4-5 cm Kantenlänge bekanntgeworden waren. Leider stand sie unter Wasser.

“ Stufenbergbau mit Hindernissen"
Heute sind die Abbaue in einem desolaten Zustand und an der Oberfläche zeugen nur noch wenige halbverfallene Gebäude von der einstigen Blüte des Bergbaubetriebes. Doch einige Mineraliensucher und einheimische Profis versuchen immer noch, Stücke des roten Wulfenits in mühsamer Handarbeit unter Tage zu bergen – ein sehr gefährliches Unterfangen. Nur einige wenige Male haben solche Aktionen in den letzten 10 Jahren erwähnenswerte Ergebnisse gebracht. Die in Kreidekalken liegenden, Blei/Molybdän-haltigen Erzgänge wurden bis Ende der 1950er Jahre in 80-110 Meter Tiefe durch horizontale Stollenstrecken erschlossen. Um heute dorthin vorzudringen, müssen die Mineraliensucher über einen rund 80 m tiefen Vertikalschacht absteigen. Er ist der einzige Zugang in den Bergbau. Ein altes Metallrohr, das zum Abpumpen des Grundwassers diente, sowie einige Eisenleitern nutzt man als Hilfe beim Abstieg. In den alten Stollen ist der Sauerstoffgehalt gering, weil fast kein Luftaustausch stattfindet. Es ist dementsprechend stickig, heiß und staubig. Dies sind äußerst riskante Arbeitsbedingungen für die Mineraliensucher, die oft ernsthafte Probleme mit der Atmung und mit giftigem Staub bekommen.

Die schönsten Wulfenite der Welt?
Viele Sammler und Mineralogen halten die rote Farbe der Wulfenite aus Chah Kharboze für die schönste der Welt. Dieses intensive Blutrot geht mit einem extremen Glanz der Kristalle einher, der fast metallisch wirkt. Einige Stufen tragen Kristalle, deren Farbe von Dunkelorange bis Rot variiert. Die Ursache dieser interessanten Farbänderung war schon vor Jahrzehnten das Ziel von Forschungsarbeiten (siehe den Info-Kasten auf Seite 31). Die Größe der Wulfenitkristalle reicht von wenigen Millimetern bis hin zu Kantenlängen von über 2 cm, die in Chah Kharboze bereits als außergewöhnlich gelten. Die Dicke variiert und erreicht 3-5 mm bei gedrungenen Kristallen. Dabei zeigen viele Stufen perfekte rote Kristalle von außergewöhnlicher Klarheit – ein echtes Schauspiel! Die besten Stufen stammen von der Tiefsohle des Bergbaues. Die Wulfenite sitzen entweder als Einzelkristalle oder kleinere Gruppen auf Matrix, oder sie liegen als einzelne Tafeln oder Schwimmergruppen lose in Lehmtaschen. Das Muttergestein zeigt weißen Calcit oder Aragonit. Partienweise ist es durch kleine Galenit-Erzkörnchen grau gefärbt oder führt spätigen Bleiglanz. Weniger häufig und ungewöhnlich sind Wulfenitstufen mit einer hellgrünen Matrix, deren Farbe auf feinkristallinen Mimetesit oder Pyromorphit zurückgeht. Nur die vergleichsweise bescheidene Größe der Wulfenite aus Chah Kharboze, die ganz selten über 2 cm messen, beschränkt ihre Einzigartigkeit. Hier lässt sich ein direkter Vergleich mit den weltberühmten Wulfeniten aus Arizona/USA ziehen, speziell mit den Kristallen aus der Red Cloud Mine: Sie sind durchschnittlich zwar größer, zeigen aber keine so intensiv rote Farbe. Andere hinsichtlich Größe und Farbe vergleichbare rote Wulfenite hoher Qualität kommen seit kurzem aus China, doch erreichen auch sie nicht die Farbintensität des iranischen Materials. Blutrote Wulfenite aus Chah Kharboze sind wertvoll und sehr selten. Wenn man das seltene Glück hat, einige Verkaufsstücke zu sehen, werden hohe Preise gefordert, die für viele Sammler kaum erschwinglich sind. Man kann den mutigen einheimischen „Kristallsuchern untertage“ nur wünschen, dass sie auch in Zukunft tief unter der Wüste des antiken Persiens prächtige Wulfenitdrusen entdecken. Herzlich dankt … der Erstautor seinen iranischen Freunden und Sammlern – prächtige Menschen und leidenschaftliche Fans der iranischen wie persischen Mineralogie. Mein besonderer Dank geht an Farhad Pirirani für die Über- und Untertage-Fotos des Bergbaues. Mit großer Professionalität widmete sich Roberto Appiani der anspruchsvollen Aufgabe, die roten Wulfenite perfekt, tiefenscharf und farbtreu ins rechte Licht zu setzen
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Blutrote Farbe – bereits durch eine kleine Prise Chrom!
Die blutrote Farbe der Wulfenite von Chah Kharboze geht auf den Einbau von Chromat-Gruppen [Cr6+O4]2- zurück, die jedoch immer nur in sehr geringer Menge die Molybdat-Gruppen ersetzen (Mir-Mohammedi 1977, Bideaux 1990). Mir-Mohammedi ermittelte für orangefarbene bis hellrote Kristalle aus Nakhlak und Chah Mileh 650-750 ppm Cr (entsprechend ~0,06-0,07 Atom% Cr), während der Cr-Gehalt bei den blutroten Wulfeniten aus Chah Kharboze mit 1650-1800 ppm deutlich höher liegt. Doch selbst diese Metallgehalte entsprechen nur knapp 0,2% Chrom – gegenüber 99,8% Molybdän! Grundsätzlich wechselt die Farbe des Wulfenits mit steigenden Chrom-Gehalten von orangerot über hellrot bis zu blutrot; gleichzeitig erfolgt eine Habitus-Änderung von dünntafelig über dicktafelig bis hin zu blockig-pyramidal (Bideaux 1990). Ähnlich farbgebend wirkt Chrom – bzw. Chromat – bei dem Blei-Arsenat Mimetesit aus iranischen Funden. Hierbei genügen bereits vergleichsweise geringe Gehalte an Chrom (0,15 At.%Cr, entsprechend ~0,5 Gew.% Cr2O5), um den Mimetesit tief orangerot zu färben (Cairoli & Weiß 2015).

Herzlich dankt … der Erstautor seinen iranischen Freunden und Sammlern – prächtige Menschen und leidenschaftliche Fans der iranischen wie persischen Mineralogie. Mein besonderer Dank geht an Farhad Pirirani für die Über- und Untertage-Fotos des Bergbaues. Mit großer Professionalität widmete sich Roberto Appiani der anspruchsvollen Aufgabe, die roten Wulfenite perfekt, tiefenscharf und farbtreu ins rechte Licht zu setzen.

aus Lapis 9/2017

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