Trichterkristalle aus dem Weltall

Modell eines „Trichterwürfels“, daneben im kleinen Bild ein analoger, auf der ISS gezüchteter, hohler Steinsalz- Kristall (4 mm KL). Graphik/Foto: Pettit & Fontana 2019/npjmgrav

Einen interessanten Einblick in das Kristallwachstum von Kochsalz-Trichterwürfeln gaben Experimente, die der NASA-Astronaut Don Pettit an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) durchgeführt hat, in enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Salzspezialisten Pietro Fontana [Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!]. Die aufwendigen Untersuchungen galten der Bildung von skelettförmigen Kochsalzkristallen, den sogenannten „Trichterwürfeln“, die bei geringer Übersättigung der Mutterlösung durch Diffusions-gesteuertes Wachstum entstehen (vgl. Lapis 10/2016 ). Bei Laborversuchen auf der Erde wachsen diese Halit-Kristalle sehr schnell, jedoch unter Bedingungen, die sich nur während Sekunden bis Minuten aufrechterhalten lassen. Daher werden solche Kristalle nur ca. ¼ mm groß. Im Gegensatz dazu wuchsen Halit-Trichterkristalle unter den Bedingungen weitgehender – jedoch nicht vollständiger – Schwerelosigkeit auf der ISS deutlich langsamer, dafür aber während Tagen bis Wochen. So entstanden wesentlich größere Kristalle mit 2-8 mm Kantenlänge. Noch mehr Zeit läßt sich die Natur: Unter irdischen Bedingungen und während geologischer Zeiträume – Tausende bis Hunderttausende von Jahren – wachsen Salz-Trichterkristalle „schwebend“ in salzgesättigten Tonschlämmen, ganz offensichtlich unter Bedingungen, die der reduzierten Schwerelosigkeit ähneln. Dabei erreichen kantenbetonte „Hopper-Kristalle“ sogar Größen bis zu 20 cm! Bekannte Fundstellen für solche „Riesen“ sind das Tote Meer und der Bistol Dry Lake in Kalifornien, aber auch Corocoro im bolivianischen Hochland, wo neben den klassischen Kupfer-Pseudomorphosen nach Aragonit ganz selten auch Calcit-Pseudomorphosen nach Halit-Trichterkristallen vorkommen (extraLapis No.43, S. 76-81).
Stefan Weiß

Extremes Kantenwachstum in der Natur: Ehemaliger Salzkristall (3 cm), pseudomorph ersetzt durch Calcit und mit Limonit bedeckt. Corocoro, Bolivien. Sammlung Anne Cook, Foto: Jesse La Plante